Frühkindlicher Stress kann die Widerstandsfähigkeit weiblicher Mäuse stärken
Bahnbrechende Ergebnisse bieten neue Einblicke in psychische Erkrankungen
Auf den Punkt gebracht
- Stress in der frühen Lebensphase kann bei weiblichen Mäusen zu weniger Ängstlichkeit und verbessertem Gedächtnis führen.
- Das Protein FKBP51 in den glutamatergen Vorderhirnnervenzellen ist für die Vermittlung dieser Anpassungseffekte notwendig.
- Der Transkriptionsfaktor TCF4 wirkt als potenzieller nachgeschalteter Effektor von FKBP51 und trägt zur Stressresistenz bei.
- Die Auswirkungen von ELS und FKBP51 sind bei weiblichen Mäusen stärker ausgeprägt als bei männlichen.
Während Stress in der frühen Lebensphase (early life stress, ELS) oft mit einer höheren Anfälligkeit für psychische Erkrankungen wie Depression und Angst in Verbindung gebracht wird, zeigt diese Studie unter der Leitung von Lotte van Doeselaar und Mathias Schmidt vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie, dass mäßiger Stress bei weiblichen Mäusen tatsächlich die Widerstandsfähigkeit stärken kann. Die WissenschaftlerInnen stellten fest, dass weibliche Mäuse, die ELS ausgesetzt waren, weniger Angst zeigten und in Stresssituationen eine bessere Gedächtnisleistung aufwiesen. Dieser positive Effekt war jedoch bei Mäusen, denen FKBP51 in den glutamatergen Vorderhirnnervenzellen fehlte, nicht vorhanden, was die entscheidende Rolle des Proteins unterstreicht.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass FKBP51 eine Art Vermittler ist, der es weiblichen Mäusen ermöglicht, sich an zukünftige Herausforderungen anzupassen und erfolgreich mit ihnen umzugehen“, erklärt Lotte van Doeselaar, Erstautorin der Studie. “Das ist ein deutlicher Kontrast zur bisherigen Auffassung, dass Stress in der frühen Lebensphase ausschließlich schädlich ist.“
Die kürzlich in Nature Communications veröffentlichte Studie deckte auch geschlechtsspezifische Unterschiede auf. Während weibliche Mäuse ausgeprägte Verhaltens- und Gehirnveränderungen zeigten, waren die Auswirkungen bei männlichen Mäusen weniger deutlich. Das zeigt, dass die Mechanismen der Anpassung an Stress zwischen den Geschlechtern unterschiedlich sein könnten.
Darüber hinaus bestimmten die Forschenden einen Transkriptionsfaktor, TCF4, als potenziellen nachgeschalteten Effektor von FKBP51. Die verstärkte Produktion von TCF4 bei weiblichen Mäusen hatte ähnlich positiven Auswirkungen wie die von ELS, was auf seine Rolle bei der Förderung der Widerstandsfähigkeit hinweist.
„Psychische Erkrankungen sind ein globales Gesundheitsproblem, und das Verständnis der biologischen Grundlagen ist unerlässlich, um wirksame Behandlungen zu entwickeln“, sagt Mathias Schmidt, leitender Autor der Studie. „Unsere Forschung beleuchtet das komplexe Zusammenspiel zwischen Genen und Umwelt und zeigt, wie frühe Erfahrungen die langfristige psychische Gesundheit beeinflussen können.“ Diese Studie bringt die Forschenden einen Schritt näher an das Ziel, effektivere Behandlungen für psychische Erkrankungen zu entwickeln.