Genetik der Schizophrenie verstehen
Ehemaliger Forschungsgruppenleiter des MPI für Psychiatrie liefert mit seiner Arbeitsgruppe an der Uni Münster wichtigen Schlüssel
Wieder so ein unleserlicher Bauplan: Das Genom enthält alle erblichen Informationen des menschlichen Körpers – weiterhin unklar sind aber die Funktionen vieler Regionen, die nicht zu den Genen selbst gehören. Dazu zählen auch Sequenzen, die im Verdacht stehen, in einer bestimmten Variante Schizophrenie-Erkrankungen erblich zu begünstigen. Eine Arbeitsgruppe um Prof. Michael Ziller von der Universität Münster hat eine Methode entwickelt, um die Funktionen dieser Varianten zu untersuchen. Die Studie erschien jetzt in der renommierten Fachzeitschrift Cell.
Rund ein Prozent der Bevölkerung erkrankt irgendwann im Leben an Schizophrenie; zu deren Symptomen zählen Wahnvorstellungen, kognitive Störungen und sozialer Rückzug. „Ein großer Teil der Betroffenen kann davon nicht völlig geheilt werden“, erläutert Ziller. „Alle Behandlungsmöglichkeiten sind bisher symptomorientiert – nach wie vor weiß man nicht, was die biologischen und neurologischen Ursachen sind.“ Fest steht jedoch, dass Schizophrenie stark erblich ist: In den vergangenen Jahren hat man im Genom knapp 300 Regionen gefunden, die – wenn sie in einer bestimmten Variante auftreten – eine Erkrankung begünstigen können.
Von den rund 50.000 Varianten liegen nur ein bis zwei Prozent in den eigentlichen Genen, der Rest sind andere Sequenzen im Genom. Das Problem: „Der Großteil dieser Varianten sitzt irgendwo ‚in the middle of nowhere‘ und niemand weiß, was sie genau machen. In vielen Fällen ist sogar unklar, ob sie überhaupt etwas machen“, so Ziller. Zunächst am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und abschließend mit seiner Arbeitsgruppe an der münsterschen Uniklinik für Psychische Gesundheit hat der Physiker ein Hochdurchsatzverfahren entwickelt, das parallel Zehntausende genetische Varianten auf ihre biologischen Funktionen testen kann. Das Ergebnis ist eine Karte der genetischen Landschaft, die die funktionellen Varianten und ihre Verbindungen zu den Genen zeigt; viele der Sequenzen übernehmen nämlich Aufgaben an den Genen, indem sie etwa deren Aktivität überwachen. „Für einen Teil kann man sogar genau feststellen, was ihre Funktion ist und so ihre Bedeutung für eine Schizophrenie-Erkrankung untersuchen. Wir haben bereits Hinweise gefunden, dass eine Variante wichtig sein könnte, die den Fettmetabolismus beeinflusst“, sagt der Gruppenleiter.
Da bei dieser das zentrale Nervensystem betroffen ist, mussten die Genome in lebenden menschlichen Gehirnzellen untersucht werden – und die sind kaum verfügbar. Das Forschungsteam bediente sich deshalb eines Tricks: Aus Stammzellen von gesunden und erkrankten Personen wurden in großer Zahl künstliche Gehirnzellen im Labor hergestellt, die den natürlichen stark ähneln. „Im nächsten Schritt steht an, systematisch die biologischen Funktionen der Varianten in den Gehirnzellen aufzuklären“, sagt Ziller. Besonders interessant ist dabei die Frage, wie die verschiedenen Varianten zusammenwirken - einzeln haben sie nämlich nur einen geringen Effekt, die Summe ist entscheidend. „Erst wenn die Prozesse bekannt sind, kann man versuchen, sie zu normalisieren, etwa durch Medikamente“, schaut der Professor nach vorn.
Quelle: Universität Münster