Risikofaktor für psychiatrische Erkrankungen wirkt je nach Geschlecht unterschiedlich
Risiko-Gen kann auch positive Effekte haben
FKBP51 gilt als Risikofaktor für psychiatrische Erkrankungen. Neue Forschungsergebnisse zeigen nun aber erstmals auch positive Effekte: Statt ängstlich zu machen oder die Denkleistung zu beeinträchtigen, kann das Protein genau das Gegenteil bewirken und damit Resilienz fördern. Welche Wirkung es entfaltet, hängt einerseits davon ab, in welcher Art von Zellen es aktiv wird. Andererseits spielt das Geschlecht eine entscheidende Rolle: Weibliche Modelltiere reagierten entweder ängstlich oder mutig, männliche waren kognitiv geschwächt oder gestärkt. Die Ergebnisse machen die Entwicklung eines blockierenden Medikaments nicht leichter. Sie zeigen aber umso mehr, wie wichtig Grundlagenforschung und Geschlechter-spezifische Studien sind.
Dass FKBP51 ein Risikofaktor für das Auftreten stressbedingter psychiatrischer Erkrankungen ist, haben nicht zuletzt umfangreiche Forschungen des Max-Planck-Instituts für Psychiatrie in den vergangenen Jahren immer wieder gezeigt. Die Forschenden gehen immer weiter ins Detail, nun legen sie eine Studie vor, die den Schluss nahelegt, dass FKBP51 in seiner Wirkung komplexer ist als bisher gedacht.
Das Team um Forschungsgruppenleiter Mathias Schmidt hat die Funktion des Proteins in zwei verschiedenen Zellpopulationen untersucht. In glutamatergen Zellen, die exzitatorisch, also anregend auf Nervenzellen wirken und in GABAergen Zellen, die sich inhibitorisch, also hemmend auswirken. Darüber hinaus haben die NeurowissenschaftlerInnen auch nach dem Geschlecht der Versuchstiere unterschieden. Denn Erkrankungen wie zum Beispiel Depressionen kommen bei Frauen circa doppelt so häufig vor wie bei Männern. Doch Studien, die geschlechtsspezifische Unterschiede untersuchen, sind selten. Als Modellorganismus für diese Grundlagenforschung diente ihnen die Maus.
Die Ergebnisse sind erstaunlich: Die Effekte sind entgegengesetzt. Das „Risikogen“ FKBP51 manipuliert bei Frauen die Angst, bei Männern wirkt es sich auf die Denkleistung aus. Betrachtet man die unterschiedlichen Zelltypen, so sind auch da die Effekte entgegengesetzt. Wird FKBP51 in GABAergen Zellen blockiert, so reagierten weibliche Mäuse weniger ängstlich, männliche zeigten sich kognitiv besser. In glutamatergen Zellen geschah genau das Gegenteil, die Weibchen waren ängstlicher und Männchen kognitiv stärker beeinträchtigt.
Das „Risikogen“ FKBP51 hat also auch seine positiven Seiten, das weist die Studie erstmals nach. Abhängig von dem Wirkort und dem Geschlecht kann es stressbedingte psychiatrische Erkrankungen hervorrufen, es kann aber eben auch Resilienz-fördernd wirken. „Das überrascht mich nicht völlig“, gesteht Schmidt, „FKBP51 kommt an so vielen Stellen im Körper vor – wenn es so schädlich wäre, hätte sich das im Laufe der Evolution runterreguliert.“
Neben der Verhaltensebene sahen die Forschenden sich auch die strukturelle Ebene an. Mit Hilfe von bildgebenden Verfahren konnten sie nachweisen, dass bei den weiblichen Mäusen eine Hirnregion verändert war, die ängstliches Verhalten steuert. Bei den männlichen Tieren war der Hippocampus verändert, über den kognitive Fähigkeiten ablaufen. Diese Ergebnisse passen also genau zu den geschlechtsspezifischen Verhaltensveränderungen und wurden zusätzlich durch Befunde auf der Ebene der Genexpression in diesen Regionen gestärkt.
FKBP51 ist also komplizierter als angenommen. Pharmakologen arbeiten bereits an Wirkstoffen, um den Risikofaktor auszuschalten. Vor dem Hintergrund der neuen Studie dürfte dies noch diffiziler werden, ein klassischer Verlauf bei der Entwicklung von Medikamenten. „Unsere Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, grundsätzliche Effekte vor allem auch geschlechtsspezifisch zu untersuchen“, resümiert Schmidt.