FKBP51 – ein neues Zielprotein zur Behandlung von Depression
Forschungsbericht (importiert) 2008 - Max Planck Institut für Psychiatrie
Depression, Stress und Steroidhormone
Depression ist mit einem Lebenszeitrisiko von über 10-15 Prozent die häufigste und hinsichtlich Beeinträchtigung und Dauer eine der schwersten psychiatrischen Erkrankungen. Die zugrunde liegenden biologischen Fehlfunktionen sind komplex. Sowohl genetische Disposition als auch lebensgeschichtlich bedingte äußeren Faktoren wirken bei der Krankheitsentstehung zusammen. Die Wirksamkeit von Medikamenten bei Depression ist nach wie vor unbefriedigend. Nur 60-70 Prozent der Patienten geht es nach einer Behandlungszeit von etwa sechs Wochen deutlich besser. Mechanistisch basieren fast alle Antidepressiva auf einem einzigen pharmakologischen Prinzip: der Verstärkung der Wirkung von Neurotransmittern wie z. B. Serotonin.
Ein wiederholt beobachteter Befund bei Depression und anderen affektiven Erkrankungen ist eine veränderte hormonelle Stressantwort. Depressive Patienten, insbesondere bei wiederkehrenden Episoden oder begleitenden psychotischen Symptomen, neigen zu einer Hyperaktivität der sogenannten Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse (HPA-Achse), desjenigen endokrinen Systems, das unsere Anpassung an Stress-Situationen koordiniert. Viele depressive Patienten weisen eine eingeschränkte Regulation dieser HPA-Achse auf, was auf ein vermindertes Ansprechen des Glukokortikoidrezeptors auf Cortisol zurückgeführt werden kann und zur sogenannten Kortikosteroidrezeptor-Hypothese der Depression geführt hat [1].
Der Glukokortikoidrezeptor (GR) kommt in nahezu allen Zellen vor und ist ein Kortikosteroid-abhängiger Transkriptionsfaktor. Im hormonfreien Zustand liegt er in der Zelle im Komplex mit dem Hitzeschockprotein 90 und einer Reihe weiterer Helferproteine wie zum Beispiel FKBP51 vor, durch die die Steroidsignaltransduktion beeinflusst wird. In einer pharmakogenetischen Assoziationsstudie zu GR-assoziierten Kandidatengenen wurden am Max-Planck-Institut für Psychiatrie Varianten –sogenannte Einzelnukleotid-Polymorphismen – im FKBP51-kodierenden Gen (auch FKBP5 genannt) identifiziert, die mit einem günstigen Ansprechen auf Antidepressiva korrelieren (Abb. 1a), [2]. Dieser Befund wurde inzwischen mehrfach in unabhängigen Studien repliziert. Eine direkte genetische Assoziation besteht auch mit dem Auftreten von verschiedenen affektiven Erkrankungen, wie uni- und bipolare Depression, sowie mit posttraumatischen Belastungsstörungen und deren Vorstufen. Dieselben Einzelnukleotid-Polymorphismen im FKBP5-Gen waren darüber hinaus in Studien am Max-Planck-Institut für Psychiatrie mit einem erhöhten subjektiven Angstempfinden sowie mit einer erhöhten Cortisol-Antwort nach einem Stresstest korreliert (Abb. 1b), [3].
Während eine Beteiligung von FKBP51, dem Protein-Produkt des FKBP5-Gens, an affektiven Störungen des Menschen durch genetische Befunde als gesichert erscheint, ist der biochemische Mechanismus, wie es zu diesen pathologischen Prozessen beiträgt, noch weitgehend ungeklärt. Eine erste Hypothese wäre eine Abschwächung von Glukokortikoidrezeptoren durch FKBP51 an den Stellen im menschlichen Körper, wo sie zur negativen Rückkopplung der HPA-Achse beitragen. Dies könnte zum Beispiel nach einem stressbedingten Cortisol-Ausstoß relevant sein.
FKBP51 und Steroidhormonrezeptoren
FKBP51, das Protein-Produkt des FKBP5-Gens, ist eines der Helferproteine (Cochaperone) im Hitzeschockprotein-90-Komplex, die die Steroidsignaltransduktion des Glukokortikoidrezeptors beeinflussen. In direkten Bindungsassays konnte gezeigt werden, dass die Hormonbindefähigkeit des Rezeptors durch FKBP51 herabgesetzt wird. In zellulären Tests reduziert dieses Cochaperon die Signaltransduktion von Glukokortikoidrezeptoren (Abb. 2), [4]. FKBP51 konkurriert in einem dynamischen Gleichgewicht mit einer Reihe weiterer Cochaperone um die Bindung an Hitzeschockprotein-90-Steroidhormonrezeptor-Komplexe. Sein wichtigster Gegenspieler ist dabei sein engster Verwandter, das FK506-bindende Protein 52, zu dem es mehr als 60 Prozent Aminosäuresequenz-Identität aufweist. Für FKBP52 konnten die Wissenschaftler zeigen, dass es die Signaltransduktion des Glukokortikoidrezeptors in eukaryotischen Zellen verstärkt bzw. dass es die inhibitorische Wirkung von FKBP51 aufhebt (Abb. 2), [4].
Ein wichtiger Aspekt für die Funktion von FKBP51 ist die Beobachtung, dass die Expression von FKBP51 durch Steroidhormonrezeptoren verstärkt wird. Die Aktivierung des Glukokortikoidrezeptors führt daher zur vermehrten Synthese des inhibitorischen FKBP51. Dieses Cochaperon scheint daher das zentrale Element in einem negativen, intrazellulären Rückkopplungsmechanismus zu sein: Nach anfänglicher Stimulation führt seine erhöhte Expression zur Desensitivierung des Glukokortikoidrezeptors.
Ein natürliches Modell für die Rolle von FKBP51 in intakten Säugetieren sind Totenkopfäffchen. Diese Primaten zeichnen sich durch eine ständige Überexpression von FKBP51 aus. In Übereinstimmung mit den oben beschriebenen zellulären Effekten geht dies einher mit einer Glukokortikoid-Hyposensitivität und gleichzeitig erhöhten Cortisol-Werten. Vor kurzem konnten erstmals transgene Mäuse generiert werden, die kein FKBP51 exprimieren (David Smith, Mayo Clinic, Scottsdale, Arizona, USA). Diese Tiere werden derzeit am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in verschiedenen Tests für Angst und depressionsähnliches Verhalten untersucht. Erste Ergebnisse bestätigen die Hypothese, nach der FKBP51 wichtige verhaltensbiologische Funktionen erfüllt.
Pharmakologische Modulierung von FKBP51
Die derzeit verfügbaren Tiermodelle für Depression und andere psychische Störungen bilden immer nur Teile des Krankheitsbildes ab und sind nicht in der Lage, die biologische Relevanz von neuen Zielproteinen für pharmakologische Therapien mit ausreichender Sicherheit vorherzusagen. Um neue Erkenntnisse über Depression zu gewinnen, sind daher auch explorative klinische Studien unverzichtbar.
Die Immunsuppressiva FK506 und Rapamycin binden sehr stark an FKBP51, was darauf hindeutet, dass dieses Protein prinzipiell für eine pharmakologische Beeinflussung geeignet zu sein scheint. In unmittelbarer Nachbarschaft zur Bindungsstelle dieser Naturstoffe konnten Aminosäurereste identifiziert werden, die essentiell für die inhibitorische Wirkung von FKBP51 auf Steroidhormonrezeptoren sind.
Mechanistische Studien zum Bindungsmechanismus legen zudem nahe, dass FKBP51 durch Zugabe von FK506 aus dem Hitzeschockprotein-90-Glukokortikoidrezeptor-Komplex verdrängt werden kann. FK506-Analoga sollten daher in der Lage sein, eine FKBP51-vermittelte Glukokortikoid-Hyposensitivität wieder aufzunehmen. Die bereits erwähnten Wirkstoffe FK506 und Rapamycin kommen dabei selbst jedoch nicht in Frage, da sie unabhängig von FKBP51 das Immunsystem unterdrücken. Darüber hinaus sind diese Substanzen innerhalb der FKBP-Familie nicht selektiv und daher auch nicht geeignet, zum Beispiel die gegensätzliche Rolle von FKBP51 versus FKBP52 zu untersuchen.
Die Entwicklung von selektiven Hemmstoffen von FKBP51 kann durch ein so genanntes rationales Design erfolgen. Hierzu wurden kürzlich in Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Psychiatrie (AG Hausch) und dem Max-Planck-Institut für Biochemie (AG Andreas Bracher, Abteilung F.-Ulrich Hartl) die Kristallstrukturen der FK506-Bindedomänen von FKBP51 und FKBP52 sowie die entsprechenden Co-Kristallstrukturen im Komplex mit FK506 gelöst (Abb. 3). Diese zeigen den detaillierten molekularen Bindungsmodus von FK506 sowie erste Unterschiede zwischen FKBP51 und FKBP52. Darauf aufbauend konnten gezielt erste vereinfachte FK506-Analoga synthetisiert werden, bei denen die wesentlichen Interaktionen mit FKBP51 erhalten bleiben. In weiteren Zyklen aus Synthese, Affinitätsbestimmung und Kristallstrukturanalyse soll nun die Selektivität für FKBP51 vs. FKBP52 weiter gesteigert werden.
Alternativ zu dem Struktur-basierten Design können neue Leitstrukturen auch durch ein Hypothese-freies Screening von Substanzbibliotheken gefunden werden. Für diesen Ansatz entwickelten die Forscher am Max-Planck-Institut für Psychiatrie Fluoreszenz-basierte Assays, die ein Hochdurchsatz-Screening erlauben. Erfolgversprechende Substanzen, die durch solche Screening-Experimente identifiziert werden, sollen anschließend in Zusammenarbeit mit dem Lead Discovery Center der Max-Planck-Gesellschaft durch medizinische Chemie soweit optimiert werden, dass sie in tierexperimentellen Studien eingesetzt werden können.
Ausblick
Durch humangenetische und funktionelle Studien der letzten Jahre wurde zunehmend klar, dass FKBP51 – vermutlich über eine Beeinflussung der hormonellen Stressregulation – zum Verlauf affektiver Krankheiten beiträgt. Die Inhibierung von FKBP51 könnte daher in der Lage sein, die endokrinen Fehlfunktionen bei einer Untergruppe von Patienten mit affektiven Störungen zu korrigieren. Die hier vorgestellten Ansätze bilden die Grundlage, um diese Hypothese in klinischen Studien überprüfen zu können.