Ohne Stressprotein wirken Antidepressiva nicht

Wissenschaftler entdecken einen überraschenden Zusammenhang zwischen dem Stressprotein FKBP51, Autophagie und der Wirkung von Antidepressiva

11. November 2014

Depression ist die häufigste psychiatrische Erkrankung weltweit, aber nur ein Drittel der Patienten können mit derzeit verfügbaren Antidepressiva geheilt werden. Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben jetzt herausgefunden, wie das Stressprotein FKBP51 die Wirkung von Antidepressiva beeinflusst. Sowohl in Zellkulturen als auch in Modellmäusen und menschlichen Zellen steuert FKBP51 zusammen mit Antidepressiva die Bildung von Autophagie-Komplexen. Die „Selbstverdauung“ innerhalb einer Zelle gewährleistet eine effiziente Beseitigung von beschädigtem Material und wurde kürzlich mit einer Reihe unterschiedlicher Krankheiten in Verbindung gebracht. Dieser Prozess könnte also ein effektives Ziel für neue Wirkstoffe zur Behandlung von Depressionen sein.

Das FK506-bindende Protein 51 (FKBP51) reguliert Stressrezeptoren im Gehirn. Es bindet an sogenannte Glukokortikoidrezeptoren und beeinflusst dadurch die körperliche Reaktion auf Stress. Frühere Forschungsarbeiten am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München haben bereits eine Verbindung zwischen genetischen Varianten von  FKBP51 und der Wirksamkeit verschiedener Antidepressiva nachgewiesen.

Wissenschaftler um die Gruppenleiter Theo Rein und Mathias Schmidt haben nun entdeckt, wie FKBP51 die Wirksamkeit der Antidepressiva beeinflusst. FKBP51 steuert die Bildung und Aktivität von Autophagie-Komplexen. Durch Autophagie, also „Selbstverdauung“, können Zellen beschädigte Bestandteile in ihrem Inneren beseitigen und weiterhin normal funktionieren. Autophagie scheint auch bei anderen Krankheiten wie Krebs oder Diabetes und bei der Übertragung von Botenstoffen zwischen Nervenzellen eine Rolle zu spielen.

Bei Patienten mit Depression unterstützen Antidepressiva die Aktivität von FKBP51. „Zellkulturen, die kein FKBP51 bilden, haben auch die Fähigkeit zur Autophagie verloren“, erklärt Nils Gassen. „Das heißt, FKBP51 bildet die Grundlage dafür, dass Antidepressiva auf das Gehirn wirken können“, sagt Jakob Hartmann, zusammen mit Gassen Erstautor der Studie.

Auch im Mausmodell haben die Wissenschaftler beobachtet, dass Antidepressiva ohne FKBP51 das Verhalten der Mäuse und die Autophagie nicht beeinflussen können. Das Antidepressivum Paroxetin verstärkt beispielsweise soziales Verhalten bei normalen Mäusen, aber nicht bei Mäusen, denen FKBP51 fehlt. Um den klinischen Nutzen der Ergebnisse zu beurteilen, untersuchte das Team die Wirkung von FKBP51 in menschlichen Blutzellen. Die Menge an FKBP51 stand mit der Menge an Autophagie-Proteinen in direktem Zusammenhang. Außerdem konnten Antidepressiva auch hier nur zusammen mit FKBP51 die Beseitigung beschädigter Zellbestandteile beeinflussen.

In weiteren Experimenten haben die Wissenschaftler Patienten vor der Therapie Blutzellen abgenommen und mit verschiedenen Antidepressiva behandelt. Durch dieses Verfahren konnten sie vorhersagen, wie die getesteten Antidepressiva bei dem Patienten nach sechs Wochen ansprechen würden.

„Unsere Ergebnisse unterstützen die Vermutung, dass ein genetisch bedingter Zusammenhang zwischen FKBP51 und dem Ansprechen auf verschiedene Antidepressiva besteht. Außerdem untermauern sie die Notwendigkeit zielgerichteter Studien“, fasst Theo Rein zusammen. „Angesichts der Komplexität der Krankheit Depression und der verschiedensten Berichte über die molekulare Wirkung von Antidepressiva ist es sehr unwahrscheinlich, dass alle Antidepressiva ausschließlich von FKBP51 oder einem anderen Protein abhängig sind. Trotzdem sollten aber Mechanismen, die mit der Autophagie zusammenhängen, als pharmakologisches Ziel zur Verbesserung der Behandlung von Depression anvisiert werden.”

AN/HR

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